Donnerstag, 21. September 2006

Philosophie ins Altpapier

Es war mit vielleicht 18 Jahren, als ich bei der Begegnung mit Kants Kategorischem Imperativ zum letzten Mal allgemeinen Optimismus verspuerte. Denn Kant hatte vor Jahrhunderten schon in Worte gefasst, was ich mir selbst erarbeitet hatte. Eine globale Maxime, welche weder auf Moral oder Ethik fusste, keine konservativen Regeln beinhaltete, sondern eine individuelle, aber trotzdem allumfassende Optimierung des menschlichen Lebens an sich anstrebte.
Leider musste ich bald feststellen, dass der kategorische Imperative einerseits meist fehlinterpretiert wurde und andrerseits die Voraussetzung von einem vernunftbegabten Wesen im Gegensatz zum triebgesteuerten Tier bei weitem nicht gegeben ist.

Enttaeuscht ging ich weiter auf die Suche. Rein triebgesteuerte Optimierung. Zwei sehr aehnliche Theorien stachen dabei ins Auge, einerseits die Soziobiologie, andrerseits die Spieltheorie. Soziobiologie versucht Verhalten dadurch zu erklaeren, dass sich evolutionaer Verhalten, welche unter gegebenen Umweltbedingungen optimaler waren, sich gegenueber nicht optimalen durchgesetzt haben. Die Theorie ist jedoch rein erklaerend und kann nicht gebraucht werden, um zukuenftiges Handeln zu bestimmen.

Spieltheorie ist um einiges maechtiger, da sich vergangene und zukuenftige Optima bestimmen lassen. Ein sehr schoenes Beispiel fuer die Staerke der Theorie waren die START I+II Vertraege zur Abruestung von Nuklearwaffen zwischen den USA und der UdSSR. Diese wurden auf beiden Seiten mehrheitlich von Spieltheoretikern ausgearbeitet.

Aber auch hier musste ich schliesslich einsehen, dass menschliches Verhalten so weit von moeglichen Optima entfernt ist, sei es im Privaten oder Globalen, dass die logische Konsequenz nach Soziobiologie sein muss, dass ueber kurz oder lang eine Untergruppe der Menschen sich durchsetzen wird, oder aber die Menschheit nach Vorbild der Dinosaurier komplet vom Angesicht der Erde verschwinden wird. Ich tippe mal ganz unvoreingenommen auf zweiteres...


"Humanismus und menschliche Ethik bringen keine Kohle, darum hammers auch nicht noetig.
Sokrates, Plato, Hegel und Kant waren an der Boerse nie genannt."
EAV - Neandertal

Als Edit noch ein Zitat meines ehemaligen Philosophielehrers: "Der durchschnittliche Mensch denkt spatial soweit eine Keule reicht, und temporal soweit, wie eine Keule braucht, um auf dem Kopf des Andern niederzuknallen."

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Aymeric (Gast) - 19. Okt, 00:07

hoppla

Aymeric (Gast) - 19. Okt, 00:50

Das Chirotop

Die anthropogenen Insel ist ein Ort der Metamorphosen: Hier verwandeln sich die Pfoten der Präadamiten in menschliche Hände. Homoniden werden zu Chiropraktikern, die mittels ihrer soeben erworbenen Hände bizarre Verhältnisse zu den Dingen herstellen. Ja, die Existenz von "Dingen" im Sinne von handhabbaren Objekten und öffentlichen Sachen um uns herum ist bereits ein welthafter Reflex des Ereignisses, dass dereinst in der Savanne gewisse Insel-Affen sich auf den Weg gemacht haben zum Hand-Erwerb. Wo es bei Pfoten blieb, dort blieben auch die Lebewesen als ganze in engere, noch tierische Griffe-Repertoire eingeschlossen. Das pfotenhafte Anfassen liefert nur eine Vorstufe zur Weltbildung. Erst wenn eine Hand nach Dingen fasst, sie handlich findet oder handhabbar zurecht macht, beginnt die Umwandlung dessen, was herumsteht und herumliegt, in brauchbarers Zeug. Dies ist, in grosser Schlichtheit, der erste Akt der Welterzeugung; mit ihm setzt die Selbstinklusion der Insulaner ein.

In den Zeug-Analysen von Sein und Zeit hat sich Martin Heidegger als erster Chirotopologe hervorgetan: Wir verstehen darunter einen Interpreten des Sachverhalts, dass der Menschen als Hand-Besitzer und nicht als Geister ohne Extremitäten existieren. Am Heidegger-Menschen ist Beobachtern aufgefallen, dass er kein Genital zu besitzen scheint und wenig Gesicht - um so besser ist sein Ohr ausgebildet, um den Ruf der Sorge zu vernehmen. Am vorzüglichsten ist seine Ausstattung mit Händen, weil Heideggersche Hände von einem Ohr, dem durch die Sorge eingesagt wird, von Fall zu Fall erfahren, was zu tun ist: Von diesem Ganz-Ohr-ganz-Hand-Menschen wird zum ersten Mal in der Geschichte des Denkens expressis verbis ausgesprochen, dass ihm die dinglichen Mitbewohner der Welt, in der er lebt, zeugförmig zuhanden sind. In Heideggers sorge-erschlossener Welt bildet Zuhandenheit einen Grundzug dessen, was den Eksistierenden im Nähe-Bereich umgibt. Zeug ist, was in der Reichweite der klugen Hand, im Chirotop, vorkommt: das Wurfzeug, das Schneide-Zeug, das Schlag-Zeug, das Näh-Zeug, das Grab-Zeug, das Bohr-Zeug, das Ess-und-Koch-Zeug, das Schlaf-Zeug, das Ankleide-Zeug- Der Heideggersche Mensch ist hinsichtlich all dieser Dinge im Bilde, welche Aufgaben durch sie seiner Hand gestellt sind. Was wäre ein Kochlöffel, wenn er nicht den Befehl zum Umrühren gäbe, was ein Hammer, wenn er nicht das Handlungsmuster "wiederholt auf die Stelle schlagen" aufriefe? Die helle Hand lässt sich das gegebenfalls nciht zweimal sagen. Für den Ernstfall kommt das Töte-Zeug hinzu, für den Nicht-Ernstfall das Spiel-Zeug, für den Bündnisfall das Schenk-Zeug, für den Unfall das Verbandszeug.....

Unter den Zeug-Populationen im Chirotop sind es vor allem drei Kategorien, die für die Heraushebung der Menschinsel aus dem Umgebungselement sorgen. An erster Stelle ist das Wurf-Zeug zu nennen, und auf die ich hier noch eingehen möchte, weil es seinem stetigen Gebrauch zu verdanken ist, wenn sich die Hominiden vom akuten Umweltdruck ein Stück weit emanzipieren konnten. Indem die werdende Menschenhand, getragen von einem für die Graslandschaft umgeformten ehemaligen Baumaffenarm, es lernt, zum Werfen geeignete Objekte, in der Regel kleinere und handgrosse Steine, aufzunehmen und nach Bringern unwillkommener Begegnung oder Berührungen zu werfen - seien es grössere Tiere, seien es fremde Artgenossen -, gewährt sie den Hominiden zum ersten Mal eine Alternative zur Kontaktvermeidung durch die Flucht. Als Werfer erwerben die Menschen ihre bis heute wichtigste ontologische Kompetenz - die Fähigkeit zur actio in distans. Durch das Werfen werden sie zu den Tieren, die Abstand nehmen können.

Aufgrund des Abstands entsteht die Perspektive, die unsere Projekte beherbergt. Die ganze Unwahrscheinlichkeit menschlicher Wirklichkeitskontrolle ist in der Gebärde des Werfens zusammengezogen. Daher bildet das Chirotop das ursprüngliche und eigentliche Handlungsfeld, in dem Akteure gewohnheitsmässig ihre Wurfergebnisse beobachten. Hier kommt ein Verfolger-Auge ins Spiel, das prüft, was die Hände zustande bringen. Neurobiologen wollen sogar eine angeborene Fähigkeit des Gehirns nachgewiesen haben, auf fliehende Objekte zu zielen.

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